Die Zugewinngemeinschaft

1.

Grundzüge des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft (§§ 1363 ff. BGB) 1

a)

Allgemeines

Der gesetzliche Güterstand von Ehegatten ist der Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Die Bezeichnung des gesetzlichen Güterstandes als „Zugewinngemeinschaft“ ist irreführend. Die Zugewinngemeinschaft ist keine „Gemeinschaft“, sondern eine Gütertrennung mit einem Vermögensausgleich zwischen den Ehegatten am Ende der Zugewinngemeinschaft. Das jeweilige Vermögen der Ehegatten wird nicht gemeinschaftliches Vermögen (§ 1363 BGB). Jeder Ehegatte verwaltet sein Vermögen selbständig (§ 1364 1. Halbsatz BGB). Lebt ein Ehepaar im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, ist jeder Ehegatte nur dadurch beschränkt, dass er nur mit Einwilligung des anderen Ehegatten über sein Vermögen im Ganzen verfügen kann (§ 1365 Abs. 1 BGB). Dasselbe gilt für Verfügungen eines Ehegatten über ihm gehörende Gegenstände des ehelichen Haushalts (§ 1369 Abs. 1 BGB). Die Zugewinne, den beide Ehegatten während der Ehe erzielt haben, werden nach dem Ende der Zugewinngemeinschaft ausgeglichen.

Für die Ermittlung des Ausgleiches wird für beide Ehegatten gesondert das jeweilige Anfangsvermögen zum Zeitpunkt der Begründung der Zugewinngemeinschaft (regelmäßig der Tag der standesamtlichen Eheschließung, § 1310 Abs. 1 S. 1 BGB) und das Endvermögen zum Zeitpunkt der Beendigung der Zugewinngemeinschaft bzw. im Falle der Ehescheidung zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages ermittelt (§ 1384 BGB). Durch einen notariellen Vertrag können die Ehegatten die Zugewinngemeinschaft auch unabhängig von einer Ehescheidung beenden. Die Differenz zwischen den Endvermögen und dem Anfangsvermögen ist der Zugewinn (§ 1373 BGB). Die Differenz zwischen beiden Zugewinnen ergibt den Zugewinnausgleichsbetrag. Der Ehegatte, der den höheren Zugewinn hat, muss die Hälfte seines Vermögenszuwachses an den anderen Ehepartner auszahlen (§ 1378 Abs: 1 BGB).

Alternativ können die Ehegatten entweder den Güterstand der Gütertrennung (§ 1414 BGB) oder die Gütergemeinschaft (§1415 ff BGB) wählen. Diese Güterstände sind relativ selten, insbesondere der Güterstand der Gütergemeinschaft.

b)

Anfangsvermögen

Ehegatten versäumen regelmäßig ihr Anfangsvermögen zum Zeitpunkt der Eheschließung festzuhalten. Nach vielen Ehejahren ist die Ermittlung des Anfangsvermögens meist nicht mehr möglich. Daher sieht das Gesetz vor, dass das Anfangsvermögen im Zweifel 0 beträgt (§ 1377 Abs. 3 BGB). Anfangsvermögen ist das Vermögen, das einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten beim Eintritt in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft gehört (§ 1373 BGB).

Die Ehegatten können ihre güterrechtlichen Verhältnisse durch einen notariellen Ehevertrag ändern (§§ 1408, 1410 BGB). So können sie das Anfangsvermögen abweichend von § 1374 Abs. 1 BGB bestimmen und z.B. vorhandene Gegenstände vom Anfangsvermögen ausschließen oder später erworbene dem Anfangsvermögen hinzurechnen (Grüneberg/Siede, BGB, 81. Aufl. 2022, § 1375, Rn. 6). Sie können auch den Zeitpunkt für die Berechnung des Anfangsvermögens zurückverlegen (Grüneberg/Siede aaO).

Das Anfangsvermögen muss um den Kaufkraftschwund bereinigt werden. Dies erfolgt mit Hilfe des Verbraucherpreisindexes für Deutschland (VPI), den das statistische Bundesamt herausgibt und laufend anpasst. Die Indexierung errechnet sich nach der Formel:

Anfangswert x Index neu geteilt durch den Index alt.

Verbindlichkeiten eines Ehegatten sind über die Höhe seines Anfangsvermögens hinaus abzuziehen (§1374 Abs. 3 BGB; § 1375 Abs. 1 S. 2 BGB)

Hinzurechnungen zum Anfangsvermögen:

Vermögen, das ein Ehegatte nach Eintritt in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht durch Schenkung oder als Ausstattung erwirbt, ist nach Abzug der Verbindlichkeiten dem Anfangsvermögen hinzuzurechnen, soweit es nicht zu den Einkünften zählt. Damit erreicht der Gesetzgeber, dass diese Zuwendungen neutralisiert werden und den etwaigen Zugewinn nicht erhöhen. Diese Neutralisierung gilt jedoch nicht für Wertsteigerungen, die die zugewendeten Vermögensgegenstände während der Ehezeit haben. Von diesen profitiert auch der Ehepartner.

Ausgenommen sind von diesen Zuwendungen sind bedingte unbenannte Zuwendungen (Diesen Zuwendungen wird ein eigener Beitrag auf dieser Homepage gewidmet werden).

c)

Endvermögen

Endvermögen ist das Vermögen, das einem Ehegatten bei Beendigung des Güterstandes gehört (§ 1376 Abs. 1 BGB). Das Endvermögen kann auch negativ sein. Mit einem Ehevertrag gem. §§ 1468, 1410 BGB kann das Endvermögen anders definiert werden. So können bestimmte Vermögensgegenstände (z.B. Beteiligungen an Personen- und Kapitalgesellschaften) herausgenommen werden.

Hinzurechnungen zum Endvermögen:

Dem Endvermögen sind die Beträge hinzuzurechnen, die das Vermögen eines Ehegatten durch unentgeltliche Zuwendungen vermindert haben,

  • die nicht einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen haben, oder
  • wenn ein Ehegatte Vermögen verschwendet hat,
  • oder wenn er Handlungen in der Absicht vorgenommenhat, um den anderen Ehegatten zu benachteiligen (§ 1375, Abs. 2 BGB).

Diese Vermögensminderungen werden dem Endvermögen nicht hinzugerechnet, wenn

  • sie 10 Jahre zurückliegen (§ 1375 Abs. 3 Alt. 1 BGB), oder
  • der Ehepartner mit ihnen einverstanden war (§ 1375 Abs. 3 Alt. 2 BGB).

Im Übrigen kann der ausgleichsberechtigte Ehegatte den Wert des illoyal verschobenen Vermögens auch direkt vom Empfänger zurückfordern (§ 1390 BGB).

Der Berechnung des Endvermögens wird der Wert zugrunde gelegt, den das bei der Beendigung des Güterstandes vorhandene Vermögen in diesem Zeitpunkt hatte.

d)

Ausgleichsforderung

Übersteigt der Zugewinn des einen Ehegatten den Zugewinn des anderen, so steht die Hälfte der Differenz zwischen dem höheren und den niedrigeren Zugewinn dem anderen Ehegatten als Ausgleichsforderung zu (§ 1378 Abs. 1 BGB).

Die Höhe der Ausgleichsforderung wird durch den Wert des Nettovermögens begrenzt, das nach Abzug der Verbindlichkeiten bei Beendigung des Güterstandes vorhanden ist (Kappungsgrenze, § 1378 Abs. II S. 1 BGB).

Hat der eine Ehegatte dem anderen während der Ehe Zuwendungen mit der Maßgabe gemacht, dass sie auf die Ausgleichsforderung angerechnet werden sollen, ist die Ausgleichsforderung um diese Zuwendungen zu bereinigen (§ 1380 Abs. 1 S. 1 BGB).

Die Bereinigung der Ausgleichsforderung erfolgt wie folgt: Zunächst wird der (indexierte) Wert der Zuwendung dem Zugewinn des Zuwendenden hinzugerechnet (§ 1380 Abs. 2 S. 1 und S. 2 BGB). Dieser Betrag wird sodann vom Zugewinn des Empfängers abgezogen, da er andernfalls doppelt berücksichtigt würde. Von dem errechneten Ausgleichsbetrag wird in einem dritten Schritt der indexierte Zuwendungsbetrag abgezogen.

Die Ausgleichsforderung entsteht in der Regel mit Beendigung des Güterstandes (§ 1378 Abs. 3 S. 1 BGB). Ab diesem Zeitpunkt ist der Anspruch vererblich und übertragbar (§ 1378 Abs. 3 S. 1 BGB).

In den Fällen des § 1385 BGB (Zugewinnausgleich des ausgleichsberechtigten Ehegatten bei vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft) und des § 1386 BGB (Vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft) tritt für die Berechnung des Zugewinns und für die Höhe der Ausgleichforderung an die Stelle er Beendigung des Güterstandes der Zeitpunkt, in dem die entsprechenden Anträge gestellt worden sind. Wird die Ehe geschieden, so ist für die Berechnung des Zugewinns und die Höhe der Ausgleichsforderung  der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages maßgeblich (§ 1384 BGB).  Die Verjährungsfrist für die Ausgleichsforderung beträgt 3 Jahre (§ 1995 BGB) mit Anlaufhemmung zum Jahresende (§ 199 Abs. 1 BGB). 

2.

Modifizierter Güterstand der Zugewinngemeinschaft

Ehegatten modifizieren den Güterstand der Zugewinngemeinschaft oft dahingehend, dass bei Scheidung der Ehe und bei der vertraglichen Aufhebung der Ehe kein Zugewinn erfolgt, sondern nur bei dem Tod eines Ehegatten.

Die Vereinbarung sollte folgenden Wortlaut haben:

„Der Ausgleich der Zugewinngemeinschaft ist ausgeschlossen, wenn die Ehe auf andere Weise als durch den Tod eines Ehegatten beendet wird, also insbesondere im Fall einer Scheidung.“

Hintergrund dieser Formulierung ist, den Zugewinn grundsätzlich auszuschließen, aber die Steuervergünstigungen des § 5 Abs. 1 ErbStG im Todesfall zu nutzen. 

3.

Die Besteuerung des Zugewinns

a)

§ 5 Abs. 1 ErbStG

§ 5 Abs. 1 ErbStG regelt den Fall, das der Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten oder Lebenspartners beendet wird und  der Zugewinn nicht nach § 1371 Abs. 2 BGB ausgeglichen wird. In diesem Fall gilt der Betrag, den der überlebende Ehegatte nach Maßgabe des § 1371 Abs. 2 BGB als Ausgleichsforderung geltend machen könnte, fiktiv nicht als steuerpflichtiger Erwerb nach § 3 ErbStG.

Allerdings sieht § 5 Abs. 1, S. 2 bis 5 ErbStG von dem zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch punktuelle Abweichungen vor:

  • Vereinbarte güterrechtliche Abweichungen der Ehegatten von den §§ 1373 – 1383 und § 1390 BGB bleiben unberücksichtigt.
  • Die Vermutung, dass das Verzeichnis der Ehegatten über das ihnen gehörende Anfangsvermögen richtig ist (§ 1377 Abs. 3 BGB), gilt nicht.
  • Der Zeitpunkt des Eintritts in den Güterstand ist der Tag des Vertragsabschlusses, wenn der Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch einen Ehevertrag vereinbart wurde. Eine rückwirkende Verschiebung des Güterstandes wird steuerrechtlich nicht beachtet.
  • Als nicht steuerpflichtiger Erwerb im Sinne von § 3 ErbStG gilt höchstens der Steuerwert des Endvermögens des Erblassers, wenn das Endvermögen des Erblassers bei der Ermittlung der Ausgleichsforderung mit einem höheren Wert angesetzt worden ist als der maßgebende Steuerwert.

b)

§ 5 Abs. 2 ErbStG

§ 5 Abs. 2 ErbStG regelt die Beendigung des Güterstandes unter Lebenden, z.B. durch Ehescheidung oder vertragliche Aufhebung des Güterstandes.

Die Sätze 2 – 5 in § 5 Abs. 1 ErbStG sind auf Abs. 2 nicht anzuwenden.

Eherechtliche Vereinbarungen über die Ermittlung des Anfangsvermögens sind bis zur Grenze des Gestaltungsmissbrauchs steuerrechtlich anzuerkennen (Viskorf in Viskorf/Schuck/Wälzholz, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz/Bewertungsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 5 E Rn. 47).

Nach Ansicht der Finanzverwaltung liegt jedoch dann eine steuerpflichtige Schenkung vor, wenn mit der ehevertraglichen Vereinbarung nicht güterrechtliche, sondern erbrechtliche Wirkungen herbeigeführt werden sollen (R E 52, Abs. 2, S. 2 Erbschaftsteuerrichtlinien 2019).

Die Finanzverwaltung hält auch§ 5 Abs. 2 ErbStG nicht für anwendbar, wenn die Ehegatten einen „fliegenden“ Zugewinnausgleiches (R E 52 Abs. 3 ErbStR 2019) vereinbaren. Ein solcher liegt vor, wenn die Ausgleichsforderung berechnet und ausgezahlt wird, ohne den Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch einen notariellen Ehevertrag zu beenden. Diese Auffassung wurde vom BFH bestätigt (BFH/NV 2006, 63). Dies ist richtig, da in diesen Fällen eine unentgeltliche Zuwendung vorliegt, aber keine Gegenleistung in Form der gesetzlichen  Ausgleichsforderung besteht. Diese entsteht erst, wenn die Zugewinngemeinschaft rechtlich beendet wurde.

Ehegatten, die die Ehe mit dem Güterstand der Gütertrennung begonnen haben, können den Güterstand der Zugewinngemeinschaft auch rückwirkend auf den Zeitpunkt der Eheschließung vereinbaren (BFH, NJW 1998, 1857). Diese vermögensrechtliche Rückwirkung können sie allerdings nur dann nutzen, wenn sie die Zugewinngemeinschaft zu Lebzeiten beenden, da dann die Steuerfreiheit der Ausgleichsforderung gem. § 5 Abs. 2 ErbStG gilt.

Tegernsee, den 09. 9 2023

 

[1] DerText unter Ziffer 1 erfolgt auf der Grundlage des Aufsatzes von RA Dr. P. Bruns, MDR 2022, 1130