Vermögensnachfolge - Testamentsarten

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IV.

Berliner Testamente

1.

Die Grundform der Berliner Testamente (2269, Abs.1 BGB)

Berliner Testamente sind Varianten gemeinschaftlicher Testamente. Die Ehegatten haben die Wahl zwischen drei Gestaltungsmöglichkeiten für das Berliner Testament, die unterschiedliche zivilrechtliche und erbschaftsteuerliche Rechtsfolgen haben: Dies sind

  • die Grundform des Berliner Testamentes gem, § 2269, Abs.1 BGB (sog. „Einheitslösung“ nachfolgend unter den Ziff. IV, 1,
  • das Berliner Testament mit Vor- und Nacherbschaft (sog. „Trennungslösung“, nachfolgend unter den Ziff. IV, 2, und
  • das Berliner Testament mit Vollerben und einem Nießbrauchsvermächtnis für den überlebenden Ehegatten, nachfolgend unter Ziff. IV,3.

Das Berliner Testament (insbesondere die Grundform) ist eine sehr häufige und beliebte Testamentsform von Ehegatten, da sie bestimmen können, wer nach dem Ableben des ersten von ihnen das Vermögen des verstorbenen Ehegatten erhält (i.d.R. der überlebende Ehegatte) und wer den überlebenden Ehegatten beerbt (i.d.R. die Abkömmlinge der Ehegatten, die sog. „Schlusserben“).

Wirtschaftlicher Hintergrund dieser Testamentsvariante ist, dass der überlebende Ehegatte beim Ableben seines Ehegatten wirtschaftlich abgesichert sein soll und er das Vermögen des verstorbenen Ehegatten auch für seinen Lebensunterhalt (und den der Kinder) frei nutzen kann. Das Berliner Testament wird insbesondere dann gewählt, wenn die jeweiligen Vermögen beider Ehegatten noch niedrig sind und die Erblasser nicht wissen, über welches Vermögen sie bei ihrem Ableben verfügen.

Hinweis:
Testamente jeder Art sind im Abstand von 2 bis 5 Jahren von den Erblassern zu überprüfen, ob sie noch aktuell sind und anzupassen, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten und/oder die Beziehungen zu den Abkömmlingen wesentlich geändert haben. Durch diese Anpassungen können Störfaktoren frühzeitig beseitigt werden.

§ 2269 Abs. 1 BGB hat folgenden Wortlaut:

„Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament, durch das sie sich gegenseitig als Erben einsetzen, bestimmt, dass nach dem Tode des Überlebenden der beiderseitige Nachlass an einen Dritten fallen soll, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Dritte für den gesamten Nachlass als Erbe des zuletzt versterbenden Ehegatten eingesetzt ist.“

 

§ 2269 Abs. 1 BGB enthält zwar nur eine Auslegungsregel, beschreibt aber auch die Grundform des Berliner Testamentes

Die Grundform des Berliner Testamentes wird von Ehegatten gewählt, wenn dass das Vermögen des erstversterbenden Ehegatten nach seinem Tod auf den überlebenden Ehegatten übergehen und sich mit dem Vermögen des überlebenden Ehegatten vereinigen soll und die beiden vereinten Vermögen nach dem Ableben des überlebenden Ehegatten auf die Schlusserben übergehen. Die Grundform des Berliner Testaments wird daher „Einheitslösung“ genannt – im Unterschied zur „Trennungslösung“ für das Berliner Testament mit Vor- und Nacherbschaft. Der überlebende Ehegatte kann über das vereinte Vermögen zu Lebzeiten frei verfügen 

Die Grundform des Berliner Testamentes hat jedoch verschiedene Nachteile, sowohl für die Schlusserben als auch für den überlebenden Ehegatten:

  • Die Schlusserben gehen beim Ableben des vorversterbenden Ehegatten leer aus, da sie an dessen Nachlass nicht beteiligt werden.
  • Die Schlusserben können ihre Erbschaftsteuerfreibeträge für den ersten Erbfall in Höhe von EUR 400.000,00 je Kind und in Höhe von je EUR 200.000,00 je Enkel nicht nutzen.
  • Die Schlusserben erben einen Nachlass, der zweimal der Erbschaftsteuer unterliegt, nämlich jeweils beim Ableben der beiden Ehegatten,
  • Der Nachlass des erstversterbenden Ehegatten kann durch Pflichtteilsansprüche der Abkömmlinge gemindert werden. Verlangen Abkömmlinge ihre Pflichtteile nach dem Tod des erstverstorbenen Ehegatten, (insbesondere wenn der Nachlass der erstverstorbenen Ehegatten wesentlich höher ist als der Nachlass des überlebenden Ehegatten) kann dies ein gravierender Störfaktor der Struktur der Vermögensnachfolge der Ehegatten sein, wenn der überlebende Ehegatte auf den Nachlass  der verstorbenen Ehegatten angewiesen ist oder der Nachlass des verstorbenen Ehegatten vornehmlich aus einem (wertvollen) Familienheim besteht und die notwendigen Liquidität für die Erfüllung der Pflichtteile neben der anfallenden Erbschaftssteuer nicht verfügbar ist. 

Bevor ich auf Strategien zur Vermeidung von solchen Nachteilen und auf Gestaltungsvarianten eingehe, möchte ich mit Ihnen einen Exkurs in das Pflichtteilsrecht machen.

 
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