Vermögensnachfolge - Testamentsarten

Seite   <   1   2   3   4   5   >

Berliner Testamente

1.3

Supervermächtnis

1.3.1

Exkurs: Vermächtnisse

1.3.1.1

Zivilrecht

Ein Vermächtnis ist die Zuwendung eines Vermögensvorteils des Erblassers durch eine Verfügung von Todes wegen (§ 1939 BGB). Die Vermächtnisforderung entsteht mit dem Erbfall („Anfall“).

Bei einem Vor- und Nachvermächtnis (§ 2100 ff BGB) wendet der Erblasser dem Vorvermächtnisnehmer einen Gegenstand als Vermächtnis zu, der später zu Lebzeiten des Vorvermächtnisnehmers oder von Todes wegen auf den Nachvermächtnisnehmer übergeht. Der Gegenstand des Vermächtnisses ist beim Vorvermächtnisnehmer ein Sondervermögen, das vom eigenen Vermögen des Vorvermächtnisnehmers zu trennen ist. Das eigene Vermögen des Vorvermächtnisnehmers erben seine Rechtsnachfolger.

Zwar bestimmt § 2065 BGB, dass der Erblasser den Empfänger und den Gegenstand der Zuwendung von Todes wegen selbst bestimmen muss (Grundsatz der „persönlichen Bestimmung der Erben durch den Erblasser“). Dieser Grundsatz wird für Vermächtnisse durch gesetzliche Ausnahmevorschriften aufgeweicht. Es genügt für die Bestimmung eines Vermächtnisses, wenn der Erblasser nur

  • den Zweck des Vermächtnisses (§ 2156 BGB) und
  • den Personenkreis der Vermächtnisnehmer (§ 2151 BGB) bestimmt

Das Gesetz überlässt dem Beschwerten (hier dem überlebenden   Ehegatten):

  • die Auswahl der Empfänger der Vermächtnisse aus dem vorgegebenen Personenkreis (§ 2151 BGB)
  • die Bestimmung der Anteile der Abkömmlinge am Vermächtnis (§ 2153 BGB) und
  • den Zeitpunkt der Erfüllung des Vermächtnisses (§ 2181 BGB).

1.3.1.2

Steuerrecht

Bei Bestimmungs- und Zweckvermächtnissen gilt steuerrechtlich folgendes:

Da zum Zeitpunkt des Ablebens des Erblassers noch nicht feststeht, welcher Vermächtnisnehmer welchen Vermächtnisgegenstand erhält, ist bei dem künftigen  Vermächtnisnehmer noch keine Erbschaftssteuerpflicht entstanden und der überlebende Ehegatte kann (noch) keine Nachlassverbindlichkeiten abziehen (Wälzholz in Viskorf, Schuck, Wälzholz, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2020, § 3 Rn. 143). Erst wenn das Bestimmungsrecht vom überlebenden Ehepartner ausgeübt wurde, entsteht die Steuer gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 a ErbStG beim Vermächtnisnehmer und erst dann kann der überlebende Ehepartner das Vermächtnis als Nachlassverbindlichkeit abziehen.

Übt der überlebende Ehegatte das Bestimmungsrecht nicht zu Lebzeiten aus, wird das Vermächtnis wie eine Nacherbschaft gem. § 6 Abs. 4 ErbStG behandelt; dies ist steuerrechtlich ( s.o. Ziff.1.2.2) Die Ehepartner sollten daher  in ihrem gemeinschaftlichen Testament z.B. bestimmen, dass der überlebende Ehegatte sein Bestimmungsrecht, zu Lebzeiten in Abhängigkeit seine statistischen Restlebensdauer und seiner Gesundheit ausüben muß, z.B. „innerhalb von 5 Jahren ab dem Ableben des vorverstobenen Ehegatten“ oder „bis zum  (70.) Lebensjahr des überlebenden Ehegatten“

1.3.2

Struktur des Supervermächtnisses

Ziel des Supervermächtnisses ist es:

  • die Vorteile des Berliner Testamentes zu erhalten
  • die steuerlichen Nachteile zu umgehen
  • den Schlusserben die Nutzung der erbschaftsteuerlichen Freibeträge zu ermöglichen
  • den Schlusserben eine Entschädigung für ihre Enterbung nach dem ersten Erbfall zu gewähren und die Schlusserben von der Geltendmachung ihrer Pflichtteilansprüche abzuhalten.

Eine Formulierung eines Supervermächtnisses könnte wie folgt lauten (Formulierungsvorschlag von Wälzholz in Skript 3 Jahresarbeitstagung des Notariats 2005, 390 f):

„Zweckvermächtnis

Nimmt der überlebende Ehegatte die Erbschaft an und wird so Alleinerbe, so erhalten die gemeinsamen Kinder, ersatzweise deren Abkömmlinge einschließlich adoptierter und nichtehelicher Abkömmlinge, vom erstversterbenden Ehegatten ein Zweckvermächtnis gem. §§ 2151 ff., 2156 BGB.

Zweck des Vermächtnisses i.S.v. § 2156 BGB ist es zum einen allen oder einzelnen Abkömmlingen eine Abfindung dafür zu gewähren, dass sie beim ersten Erbfall durch die Einsetzung des überlebenden Elternteils enterbt sind, sowie zum Zweiten, ein Ausnutzen der erbschaftsteuerlichen Freibeträge zu ermöglichen.

Dem überlebenden Ehegatten steht zur Vereinbarung dieser Zwecke mit einer ausgewogenen familiären Vermögensverteilung sowie mit dem eigenen Interesse auf Sicherung seiner Altersversorgung ein umfassendes Bestimmungsrecht zu. Er kann bestimmen

  • den Gegenstand, die Bedingungen und den Zeitpunkt der Leistungen, § 2156 BGB, dies im Rahmen von §§ 2156 S. 2, 315 BGB insbesondere auch unter Berücksichtigung seines eigenen Versorgungsinteresses,
  • die Zeit der Erfüllung, § 2181 BGB,
  • diejenigen, die aus dem Kreis der oben Genannten das Vermächtnis erhalten sollen, § 2151 BGB,
  • sowie deren Anteile an dem Vermächtnis, § 2153 BGB.

Der überlebende Ehegatte hat die Zeit der Erfüllung des Vermächtnisses so zu bestimmen, dass die Erfüllung innerhalb von fünf Jahren nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten erfolgt. Weiterhin kann der überlebende Ehegatte dann, wenn er Grundstücke zum Gegenstand des Vermächtnisses macht, 

  • Ausgleichszahlungen anordnen,
  • sich an den Grundstücken den Nießbrauch mit einem von ihm zu bestimmenden Inhalt vorbehalten,
  • sich hinsichtlich der Grundstücke Rückforderungsrechte für die Fälle der Veräußerung oder Belastung durch den Vermächtnisnehmer, des Vorversterbens des Vermächtnisnehmers und des Vermögensverfalls des Vermächtnisnehmers vorbehalten,
  • sowie die grundbuchmäßigen Sicherheiten hierfür bestellen.

Derjenige meiner Abkömmlinge, der beim Nachlassgericht einen Antrag stellt, dem Bestimmungsberechtigten eine Frist zu Bestimmung des Begünstigten oder der Anteile der Begünstigten zu setzen, wird als Vermächtnisnehmer ausgeschlossen.“

 

 

Seite   <   1   2   3   4   5   >