Vermögensnachfolge - Testamentsarten

V.

Behindertentestament

1.

Allgemeines

Behindertentestamente sind in der Regel Testamente von Eltern mit behinderten Kindern. Ziel der Behindertentestamente ist es, das behinderte Kind für die Zeit nach dem Ableben der Eltern bestmöglich abzusichern und die Überleitung von Pflichtteilsansprüchen des behinderten Kindes an Sozialhilfeträger zu verhindern. 

2.

Struktur eines Behindertentestamentes 1

Die klassische Struktur eines Behindertentestamentes besteht aus einer Vor- und Nacherbfolge (§ 2101 BGB) in Kombination mit einer Dauertestamentsvollstreckung (§ 2209 BGB) unter Vermeidung eines Pflichtteilsanspruchs des behinderten Kindes, der auf Sozialhilfeträger übergeleitet werden könnte. Das Testament muss so abgefasst werden, dass es nicht sittenwidrig im Sinne von § 138 BGB ist. Der beim Ableben des behinderten Kindes noch vorhandene Nachlass soll als Nacherbe an ein Mitglied der Familie vererbt werden.

Dem behinderten Kind wird von den Eltern ein Erbteil als Vorerbe (oder ein Vermächtnis) zugewandt, dessen Wert leicht über dem Wert seines Pflichtteils liegt.

  • Das behinderte Kind wird Vorerbe 2 bzw. Vorvermächtnisnehmer.
  • Für das behinderte Kind wird eine Dauertestamentsvollstreckung auf Lebenszeit angeordnet.
  • Der Testamentsvollstrecker wird zusätzlich als Nacherbenvollstrecker eingesetzt und
  • Der/die Erblasser erteilen dem Testamentsvollstrecker konkrete Verwaltungsanweisungen bzgl. der Leistungen, die zur Verbesserung des Lebensstandards des behinderten Kindes erbracht werden dürfen.
  • Nacherbe (nach dem Ableben des behinderten Kindes) ist ein weiteres Familienmitglied.

Mit diesem Konzept eines Behindertentestamentes wird gesichert, dass dem behinderten Kind genügend Mittel zu Lebzeiten zur Verfügung stehen und der Nachlass des behinderten Kindes nach seinem Ableben einem anderen Familienmitglied, dem Nacherben, zufließt und, ohne dass der Sozialversicherungsträger auf den Erbteil/das Vermächtnis des behinderten Kindes Zugriff hat. Die Dauertestamentsvollstreckung schützt ebenfalls das Vermögen des behinderten Kindes vor dem Zugriff der Sozialbehörden.

Die Funktion des Testamentsvollstreckers als Nacherbenvollstrecker ist notwendig für den Fall, dass der Vorerbe (= das behinderte Kind) als Miterbe z.B. dem Verkauf eines Grundstücks aus dem Nachlass zustimmen muss (§ 2113 BGB). 

Der Entwurf eines Behindertentestamentes ist ein hochkomplexes Testament, das nur von Spezialisten entworfen werden sollte.

[1] nach Hammann „Behindertentestamente - neu justierter sozialrechtlicher Hintergrund“, ErbR 2021, 734
[2] Vor- und Nacherbe: Der Erblasser kann einen Erben in der Weise einsetzen, dass dieser erst dann Erbe wird, nachdem zunächst ein anderer Erbe geworden ist (§ 2100 BGB).